Die Art und Weise, wie wir bauen und in Immobilien investieren, verĂ€ndert sich rasend schnell â und das nicht nur durch Klimaziele oder technologische Innovationen. Seit Inkrafttreten der EU-Taxonomie-Verordnung rĂŒckt die Nachhaltigkeit auf regulatorischer Ebene ins Zentrum der Aufmerksamkeit: Bauprojekte mĂŒssen kĂŒnftig nicht nur ânachhaltig geplantâ sein â ihre Nachhaltigkeit muss messbar, nachvollziehbar und investorenfĂ€hig dokumentiert sein.
Doch was bedeutet das konkret fĂŒr Bauunternehmen, Planer:innen, Projektentwickler:innen und Kommunen im DACH-Raum?
đ Was ist die EU-Taxonomie ĂŒberhaupt?
Die EU-Taxonomie ist ein Klassifikationssystem, das wirtschaftliche AktivitĂ€ten anhand festgelegter Umweltziele auf ihre Nachhaltigkeit hin bewertet. Sie bildet die Grundlage fĂŒr grĂŒne Finanzierungen, ESG-Investitionen und Nachhaltigkeitsberichte.
Im Bauwesen betrifft sie insbesondere zwei Hauptziele:
- Vermeidung von Treibhausgasemissionen
- Anpassung an den Klimawandel (z.âŻB. Hitze- oder Hochwasserschutz)
Ein GebĂ€ude (oder ein Bauvorhaben) gilt nur dann als âtaxonomiekonformâ, wenn es:
- Einen wesentlichen Beitrag zu einem Umweltziel leistet
- Keinen erheblichen Schaden (âDo No Significant Harmâ â DNSH) an anderen Zielen anrichtet
- Mindeststandards in puncto sozialer Verantwortung und Compliance einhÀlt
đ§± Wer ist betroffen?
Kurz gesagt: fast alle.
Besonders im Fokus stehen aktuell:
- Projektentwickler:innen mit institutionellen Investoren
- Unternehmen mit >250 Mitarbeitenden bzw. Kapitalmarktzugang
- Ăffentliche BautrĂ€ger mit EU-Fördermitteln
- ArchitekturbĂŒros & Planungseinheiten, die an ESG-gebundenen Projekten arbeiten
- Bestandshalter im Wohn- und Gewerbebereich (bezĂŒglich Sanierung und Reporting)
Ab 2024 greift die âCorporate Sustainability Reporting Directiveâ (CSRD): Viele Unternehmen mĂŒssen dann offenlegen, in welchem Umfang ihre GeschĂ€ftstĂ€tigkeit Taxonomie-konform ist.
đ Was bedeutet ESG-kompatibles Bauen in der Praxis?
ESG steht fĂŒr Environmental, Social und Governance â und bringt Nachhaltigkeit in eine strukturierte Berichtswelt. FĂŒr das Bauwesen relevant ist primĂ€r der âEâ-Bereich.
Taxonomiekonforme Bauprojekte mĂŒssen unter anderem folgende Kriterien erfĂŒllen:
- Neues GebÀude: PrimÀrenergiebedarf liegt mind. 10 % unter nationaler NZEB-Grenze (Nearly Zero Energy Building)
- Renovierungen: Energieverbrauch muss sich um mind. 30 % verbessern
- Klimarisikobewertung: BerĂŒcksichtigung von Flutrisiko, urbaner Hitze, Hitzeinseln, Erdbeben etc.
- Baustoffwahl: bevorzugt emissionsarme, zirkulÀre Materialien mit EPD-Nachweis
- LuftqualitÀt & Komfortfaktoren (Tageslicht, Akustik etc.)
- Nachweis ĂŒber Lebenszyklusanalyse (LCA) oder Zertifikate wie DGNB, LEED, ĂGNI
Viele dieser Punkte sind bereits aus bestehenden GebĂ€udestandards bekannt â der Unterschied: Sie werden nun verbindlich und finanzierungsrelevant.
đŠ Was bedeutet das fĂŒr Projektentwicklung und Finanzierung?
âGrĂŒneâ GebĂ€ude sind nicht nur ökologisch sinnvoll â sie sind inzwischen auch wirtschaftlich klĂŒger. Viele Banken, Fonds und Investoren achten gezielt auf Taxonomie- und ESG-KonformitĂ€t. Typische Auswirkungen:
- GĂŒnstigere Finanzierungskonditionen fĂŒr ESG-konforme Projekte
- Leichterer Zugang zu Green Bonds oder Nachhaltigkeitsfonds
- Vorteil bei öffentlichen Ausschreibungen
- Höherer Marktwert und geringeres Risiko (z.âŻB. durch Klimaanpassung)
Wer frĂŒhzeitig ESG-konform plant, vermeidet spĂ€tere Nachweiskosten und haftungsrechtliche Unsicherheiten â und erhöht den Gesamtwert der Immobilie.
đ Herausforderungen in der Umsetzung
Die Theorie ist klar â die Praxis ist komplex. HĂ€ufige HĂŒrden:
- Regelwerk & Normen Ă€ndern sich laufend â hohe Planungsunsicherheit
- Aufwand fĂŒr Dokumentation und Nachweise ist erheblich
- Abstimmung mit Fachplaner:innen und Gutachter:innen oft unzureichend
- Konflikte zwischen ESG-Zielen und wirtschaftlichem Druck (Kosten, Termine)
Viele Unternehmen reagieren aktuell mit eigenen âESG-Taskforcesâ oder holen externe Berater:innen fĂŒr gezielte Projektbewertungen und Gap-Analysen ins Boot.
đ ESG & bestehende Zertifizierungen â wie passt das zusammen?
Zertifikate wie DGNB, ĂGNI, LEED oder BREEAM waren lange das MaĂ der Dinge. Die gute Nachricht: Sie sind in vielen FĂ€llen anschlussfĂ€hig an die EU-Taxonomie, besonders wenn sie inhaltlich auf Lebenszyklus, COâ-Emissionen, Ressourcenschonung und Soziales eingehen.
Beispiel: Ein Platin-zertifiziertes DGNB-Projekt dĂŒrfte die meisten ESG-Vorgaben erfĂŒllen â muss es aber zusĂ€tzlich quantifizierbar dokumentieren.
FAZIT: Zertifizierungen helfen â aber sie ersetzen nicht die gezielte PrĂŒfung auf TaxonomiekonformitĂ€t im Sinne der EU-Verordnung.
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Fazit
ESG-konformes Bauen ist lĂ€ngst mehr als eine strategische Option â es ist Teil eines Richtungswechsels, der Investitionen, Baupraxis und GebĂ€udebewertung neu definiert.
FĂŒr die Bau- und Immobilienbranche im DACH-Raum bedeutet das:
- mehr Nachhaltigkeitsverantwortung,
- mehr Transparenz beim Planen und Bauen,
- und konkrete Chancen fĂŒr zukunftsfĂ€hige, wirtschaftlich stabile Projekte.
Wer sich jetzt aktiv mit den Anforderungen der EU-Taxonomie auseinandersetzt, schafft die Voraussetzungen, um Bauvorhaben nicht nur nachhaltig, sondern auch zukunftssicher umzusetzen.